Heft 4 / 2017

Erfahrungsbericht 

Reinhold van Weegen

Spiritualität im Altenheim 
Um Menschen zu halten, brauchen wir Haltung

Welcher Geist weht im Haus? Mitarbeiter und Bewohner, Angehörige und Freiwillige gestalten das Klima und die Atmosphäre in einem Altenwohnheim und können es zu einem Ort werden lassen, in dem Spiritualität erfahrbar wird. Doch: Um halten zu können, braucht es eine Haltung. Drei Fragen finde ich wesentlich: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was trägt mich in meinem Leben?

Wenn diese Fragen gestellt werden, wird es oft ganz still. Am Ende des Lebens, wenn Angehörige und Freunde vorausgegangen sind, körperliche Schmerzen und Einsamkeit drohen, ist es nicht leicht, dem Leben Sinn zu geben. Es gibt aber eine Sehnsucht gehalten zu werden, von anderen Menschen und für uns Christen von Gott. Spiritualität im Altenheim lebt in besonderer Weise von einer Haltung der Barmherzigkeit. Ihre Bedeutung gründet in der Identifikation mit den Notleidenden, wie es im Neuen Testament das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter zeigt. Es ist eine Spiritualität, die sich in einem Altenwohnheim in besonderer Weise im konkreten Handeln zeigt. 

Damit dies möglich ist und Spiritualität im Altenheim für die Bewohner erfahrbar wird, muss Spiritualität „auf der Mikroebene (Spiritualität des Einzelnen), der Mesoebene (Bedeutung, die Spiritualität in einem Behandlungsteam zugemessen wird) und der Makroebene (Rahmenbedingungen, Bedeutung von Spiritualität im gesellschaftlichen, juristischen, ökonomischen und politischen Kontext)“ thematisiert werden (Roser 2012, S. 228). Konkret ist zu klären, 1. welches Konzept von Spiritual Care der Träger lebt (Makro), 2. was es für das Team bedeutet (Meso) und 3. wie sich dies auf den einzelnen Mitarbeiter sowie letztlich auf den einzelnen Bewohner wie auch Angehörigen (Mikro) auswirkt. Dieser Beitrag gibt Einblicke, wie dies im Altenwohnheim St. Lamberti in Münster umgesetzt wird.

Makroebene: das Konzept von Spiritual Care des Trägers

Unternehmensverfassung als Leitbild

Grundlage von Spiritual Care des Trägers ist die Unternehmensverfassung der Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft Münster mbH (CBM), die der Seelsorge ein eigenes Kapitel widmet.

Die Mitarbeiter haben sich in der Erarbeitung der Unternehmensverfassung darauf verpflichtet, der Seelsorge einen Schwerpunkt zu geben „um dem caritativen Charakter unserer Einrichtungen und Dienste Rechnung zu tragen“.

Weiter heißt es: 

„Darunter verstehen wir
das Anteilnehmen an der Sorge der Menschen um ihre Seele und um ihr Leben.
den Menschen im christlichen Geist auf seinem Weg durch das Leben bis zum Tod zu begleiten.
durch Gespräche im Alltag und durch unser Handeln eine wachsende Beziehung des Vertrauens aufzubauen.

Seelsorge geschieht im Alltag unserer Einrichtungen und kann von allen Beteiligten in je spezifischer Weise wahrgenommen werden:

Darum fördern wir Kontakte zwischen den uns anvertrauten Menschen, Angehörigen und Mitarbeitenden.
Darum unterstützen wir die Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, um ein seelsorgliches Netz zu knüpfen.
Darum nimmt Seelsorge Einfluss auf die Gestaltung der Wohn- und Lebensräume.

Wir wenden uns in der Seelsorge besonders den Menschen zu, die persönlicher Begleitung bedürfen.

Durch die Seelsorge in unseren Diensten und Einrichtungen erfahren Menschen Unterstützung und Beratung. Mitarbeitende erfahren zur besseren Bewältigung ihrer seelsorgerlichen Aufgaben Gesprächsbereitschaft, Unterstützung und Begleitung. Die Seelsorge ermöglicht, den Glauben zu feiern (u. a. Gestaltung des Kirchenjahres, Gottesdienste, Krankensalbungen, Segensfeiern). Auch Menschen anderer Religionen erhalten entsprechende Möglichkeiten. Sie berücksichtigt in besonderer Weise die Bedürfnisse von Schwerkranken und Menschen mit Demenz. Eine palliative Begleitung wird ermöglicht. Seelsorge setzt einen Schwerpunkt bei der Begleitung von Sterbenden und Trauernden. Sie gestaltet persönliche und individuelle Formen des Abschieds.“

Infrastruktur
Spiritualität im Altenheim erfordert nicht nur Räume, die zeitlicher oder fachlicher Natur sind oder in der Grundausrichtung des Unternehmens ihren Platz erhalten. Es braucht faktisch Räume. Deshalb hat das Haus eine Kapelle und legt Wert darauf, dass es mit Materialien ausgestattet ist: Texte, Gebete etc. So ist Spiritualität im Haus auch visuell erfahrbar.

Was heißt das konkret? Wir nehmen den Menschen mit seinen spirituellen Bedürfnissen wahr:
„Die Konfrontation mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung (oder in unserem Fall von Pflegebedürftigkeit, Anm. d. Verf.) führt Menschen an ihre körperlichen und emotionalen Grenzen. Vieles bisher Tragende steht für den einzelnen plötzlich auf dem Prüfstein: Das Selbstbild und die sozialen Beziehungen; Werteorientierungen und Priorisierungen; Zukunftsentwürfe und Hoffnungen. Alle Lebensbereiche können von solchen Anfragen betroffen sein. Aus den Veränderungen des Gesundheitszustandes, den therapeutischen Behandlungsfolgen und den möglichen sozialen Stigmatisierungen ergeben sich Belastungen, die so noch nicht durchlebt wurden. Die kranken Menschen müssen sich neu orientieren und Formen finden, um mit den veränderten Bedingungen zurechtzukommen. […] Sie erleben Ängste und Stresserfahrungen. In einer solchen Lage beginnen sich Menschen neu mit Lebenszeit-, Sinn- und Zukunftsfragen zu beschäftigen und nach Wegen emotionaler Stabilität und Quellen der Kraft zu suchen – auch spirituelle Ressourcen.“ (Knoll 2015, S. 206 zur Krankheitsbewältigung)

Um neue Wege und geistige Kraftquellen zu entdecken, braucht es neben faktischen und materiellen Räumen auch und besonders Raum für eine Kultur und Haltung aller Beteiligten in einer Einrichtung: Es braucht empathisches und professionelles Wissen und Handeln.

„Wir besuchen dich“
Esgehört zum Konzept des Trägers, dass wir unsere Bewohner vor dem Einzug zuhause besuchen, möglichst in ihrem häuslichen Umfeld. Dabei gibt es die Möglichkeit auch die Angehörigen des künftigen neuen Bewohners kennenzulernen. Es geht darum, das ganze System des alten Menschen mit einzubeziehen. Für alle ist die Situation neu. Ein Umzug ist für viele ein schmerzhafter Prozess, wir wollen diesen Übergang gestalten. Wir wollen die Möglichkeit des Kennenlernens geben und auch Fragen beantworten. Wir bekommen etwas von seinem Wohnumfeld, seinen lebensgeschichtlichen Entwicklungen, seinen Vorlieben und Abneigungen mit und nicht zuletzt einen Eindruck von dem, was dieser Mensch hinter sich lassen muss. Neben seinen gesundheitlichen Fähigkeiten sind das u. a. die Wohnung, das soziale Umfeld, die Nachbarn. Das ermöglicht uns, ihn nach dem Einzug besser zu verstehen.

„Wir hören dir zu“
Wenn die Bewohner wenig Besuch haben bzw. einen zusätzlichen Bedarf haben, versuchen wir einen zusätzlichen ehrenamtlichen Besuchsdienst zu organisieren, der fester Bestandteil der Vernetzungsstruktur der Trägers ist. Oft hilft es, einen nicht verwandten Menschen zu haben, der Lebensgeschichte nicht teilt und dem auch „unbelastet“ persönliche Anliegen, Konflikte und auch Zweifel anvertraut werden können.

„Du gehörst dazu“
Bei den verschiedenen Angeboten des Hauses, je nach Interesse und Neigung, erleben die alten Menschen das Gefühl dazu zu gehören. Selbst abends, bei der täglich stattfindenden Abendrunde, von 19:30 bis 20:45 Uhr können sie mit den teilweise fröhlichen, besinnlichen, geistigen und spirituellen Inhalten erleben, dass sie an Gemeinschaft teilhaben. Am Ende sprechen alle ein gemeinsames Gebet, ein Vater unser, das ihnen selbst, ihnen untereinander und ihren Angehörigen gilt. Da sind bewegende Momente zu erleben. Raum für Gemeinschaft als spirituelles Element des Trägers ermöglicht Teilhabe und Teilnahme als wesentliches Momente von Spiritual Care (vgl. Roser 2017).

„Wir reden gut über dich“
Der Geburtstag ist für alle Menschen in der Regel ein wichtiges Datum und ein Tag des Erinnerns an unsere Eltern, unsere Wurzeln. Vater und Mutter werden oft bedacht und auch welchen Namen sie mir gegeben haben. Sie wollten das Beste für mich und ich bin ihnen zu Dank verpflichtet. Dies ist eine zutiefst spirituelle Erfahrung, die wir mit den Bewohnern gerne in den Blick nehmen. Dies geschieht schon am Vortag zum Geburtstag, wenn Betreuungsassistenten mit dem Bewohner einen Kuchen seiner Wahl backen, wie er ihn früher als Kind schon bekommen hat. Damit wird der oft für ihn überraschend kommende Tag schon einmal eingeläutet und bedacht. Gleichzeitig bekommen die Bewohner und Mitarbeiter in seiner Umgebung schon mit, welches Ereignis ansteht und können dem Geburtstagskind gute Wünsche mit auf den Weg geben. Beachtung und Wertschätzung sind wesentliche Grundhaltungen in der Spiritual-Care-Konzeption des Trägers.

Persönliche und individuelle Formen der Spiritualität fördern

Individuelle und persönliche Formen der Spiritualität sollen bei uns gelebt werden können. Dies betrifft auch die Form des Abschiednehmens, wie dies in der Unternehmensverfassung formuliert worden ist. Auch Nicht- oder Andersgläubige sollen ihre Spiritualität nach ihren Wünschen und Vorstellungen selbstbestimmt gestalten können. Darin unterstützen wir sie und realisieren den individuellen und personenzentrierten Ansatz von Spiritual Care.
Mesoebene: Spiritualität im Team / des Teams

Wir gedenken der Toten
Die Mitarbeiter gedenken in jeder monatlichen Teambesprechung der Bewohner, die seit der letzten Sitzung gestorben sind, haben dabei Kerzen angezündet. „Wie ist die Zeit mit dem Bewohner gelungen, gerade die letzte Zeit und was können wir für nächste Situationen noch lernen?“ Die Mitarbeiter können sich frei im Gespräch äußern, wie sie es empfunden haben. Eine Mitarbeiterin liest dabei die Eintragung vor, die die Bezugspflegemitarbeiterin des Verstorbenen ins Lebensbuch geschrieben hat. Manchmal wird ein Dankesschreiben der Angehörigen dazu vorgelesen. Da gibt es oft bewegende Momente.
Im Lebensbuch, das fürs ganze Haus chronologisch geführt wird, hat jeder Verstorbene eine gestaltete Doppelseite mit Foto aus seinem Leben im Altenheim und einem zu ihm passenden Text. So bleibt er unvergessen und beim Durchblättern der Seiten erinnert man sich an ihn. Das Buch liegt in der Hauskapelle auf dem Altar.

Austausch im Qualitätszirkel Palliative Care

Im hauseigenen Qualitätszirkel Palliative Care werden immer wieder auch spirituelle Fragestellungen angesprochen. Ein Beispiel: Bewohner äußern manchmal auch selbst Wünsche für die Gestaltung ihrer Verabschiedung im Todesfall (Lieblingstexte, Lieder etc.). Diese Hinweise werden in der Bewohnerakte hinterlegt, damit sie für alle Mitarbeitenden zur Verfügung stehen. Leitung hat sicherzustellen, dass die Verabschiedung von verstorbenen Bewohnern würdig und ohne Druck auch in der arbeitsintensiven Pflegezeit geschehen kann. Dazu ist im Arbeitskreis eine kleine Arbeitshilfe entstanden.
Auszug aus Protokoll der AG Palliative Care vom 3.04.2017: 
„Spiritualität: lat, spiritus = Geist, Atem; spirare = atmen, auch leben

Was läßt mich atmen?
Wes „Geistes Kind“ bin ich?
Was gibt meinem Leben Sinn?
Was bedeutet Lebenssinn/ sinnvoll für einen Menschen?
Was ist in diesem Leben meine Aufgabe?
Was ist Hier und Jetzt meine Aufgabe?
…..“
Diese Impulsfragen dienen als „Atempause“ und differenzieren bzw. nehmen so die besondere Zeit der Verabschiedung aus der Zeit der Pflege heraus.

Zeit, sich zu „besinnen“
Was verleiht meinem Leben, meiner Arbeit Sinn? Mitarbeitende haben einen Anspruch an Besinnungstagen teilzunehmen, in denen spirituelle Fragestellungen mit anderen Mitarbeitenden und einem Pfarrer besprochen werden können. 

Zum Thema Palliative Care gibt es zweijährig eine gemeinsame hausinterne Fortbildungsreihe für die Mitarbeiter der verschiedenen Bereiche, die sich u. a. mit den verschiedenen Dimensionen von Schmerz und Leid beschäftigen und Lösungsmöglichkeiten dafür suchen. Interdisziplinarität in Bildung und Begleitung, wie es im Konzept von Spiritual Care gedacht ist, finden hier Anwendung.

Mikroebene: 

a) der einzelne Mitarbeiter

Seel-sorglich versus seel-sorgend
Alles Handeln, das dem Menschen aufrichtig begegnet und ihn annimmt und bestärkt, ihn unterstützt und begleitet in den zentralen und existentiellen Fragen seines Lebens ist als seelsorgliches Handeln zu verstehen. Die Mitarbeiter sind in diesem Sinne durchaus seelsorglich tätig. 
Seel-sorgendes Handeln erfolgt durch einen beauftragten Seelsorger, Diakon, der vom Bistum mit der Seelsorge beauftragt ist.
Seelsorge in diesem Sinne ist nicht Bestandteil eines therapeutischen Konzepts und deutet das Leben eindeutig von der christlichen Botschaft aus. Ihr Standpunkt ist nicht der Beliebigkeit überlassen, sondern antwortet aus dem christlichen Hintergrund und der Botschaft des Evangeliums. Der Seelsorger ist der „sichtbare“ – amtliche Repräsentant für diese Botschaft, der auch Gottesdienste feiert und Besuche und Krankensalbungen durchführt. Er ist als Seelsorger einen Tag in der Woche in der Einrichtung, um nicht nur Bewohner, sondern auch einzelne Mitarbeiter in Gesprächen oder Segnungen zu begleiten.

Mitfühlende Mitarbeiter 
Eine wesentliche Voraussetzung für das eigene Mitfühlen ist, dass Leid nicht in Glück, Schmerz nicht in Seligkeit verwandelt werden kann. Wenn Pflegende und Betreuende verstehen, dass der Trost, der für andere im Dabeibleiben und Mitfühlen liegt, nicht zwangsläufig die Beseitigung des Leidens meint, sondern ihr Teilen und Aushalten, werden sie sich leichter und befreiter darin üben können.
„Der Glaube an die Würde der Patienten, an seine Lebenskraft selbst im Sterben, an die Existenz seines inneren Raumes verhilft uns dazu, uns ihm in Achtung zu nähern.“ (Müller 2011, S. 51)

Mitarbeiter bieten Bewohnern an in der Kapelle eine Kerze anzuzünden für ihre Anliegen bzw. Angehörige, als Bitte bzw. als Dank.
Ethische Fallbesprechungen finden bei Bedarf unter externer Leitung statt. Für besondere Themenstellungen gibt es bei der CBM ein Ethikkomitee.
Danksagungen in Wort und Schrift durch Vorgesetzte und Angehörige erfolgen regelmäßig, besonders auch zu Anlässen wie Klausurtagen, Teamsitzungen, an Festen und Feiern für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter. Unterstützung erfahren die einzelnen Mitarbeiter durch Ehrenamtliche im Besuchsdienst, in der Begleitung der Abendrunden und bei vielen anderen Einsatzfeldern im Haus.

Wir qualifizieren unser Mitarbeiter zum Thema Spiritualität und Spiritual Care

Am Caritas-Fortbildungsinstitut Münster GmbH, einem Tochterunternehmen des Trägers, gibt es eine Reihe von Fortbildungen, die es Mitarbeitenden wie auch Leitungskräften ermöglichen, sich Zugänge zum Thema zu erarbeiten. Beispielhaft seien als Fort- und Weiterbildungen genannt:
Religiosität und Spiritualität
Sterbebegleitung für Menschen mit Demenz
Spiritual Care
Supervision Hospiz und Spiritual Care
Trauerarbeit und Begleitung
Partnerzentrierte Gesprächsführung im Sozial- und Gesundheitswesen
Weiterbildung Achtsamkeit

b) der einzelne Bewohner bzw. Angehörige
Wir pflegen Kranke – auch mit spirituellen Angeboten
Leitsatz könnte sein: Was ist meine Haltung in der Handlung und beherrsche ich mein Handeln? Spirituelle Pflege ist dem Menschen zugewandt. Eine zentrale Frage ist: Was können wir für Sie tun? Regelmäßige Angebote wie Klangschalen-Meditationen ergänzen andere Angebote wie Gottesdienste, Gebete sowie Segensfeiern und Krankensalbungsfeiernwie auch Gesangsangebote.

„Wir teilen mit dir“
Freude und Trauer zu teilen. Bei Feiern und Festen geht es fröhlich zu und das erheitert die Gemüter und gibt Kraft für den Alltag. Vor Jahren fragte mich eine alte Frau aus unserem Haus: „Wissen Sie, was wir Alten brauchen? Wir brauchen nur Abwechslung und ein bisschen Spaß. Von dem anderen haben wir genug und können den ganzen Tag drüber nachdenken. Und das Schlimmste ist, wir können nichts mehr ändern.“
In Zeiten von Abschied und Trauer, wie z. B. beim Sterben und Tod geben uns unsere Rituale Halt und Orientierung. Unsere Bewohner beziehen das Haus durch den Haupteingang, an dem sie feierlich empfangen und mit ritueller Begleitung in ihrem neuen Zuhause willkommen geheißen werden. Wenn ein Mensch das Haus verlässt, tut er das ebenso durch denselben Haupteingang. Dort haben sich Bewohner, Mitarbeiter und Angehörige versammelt, um den Verstorbenen zu verabschieden, dabei seines Lebens zu erinnern und ein Gebet zu sprechen. 

„Wir beten für dich…“
als immer wiederkehrendes Ritual am Ende der Abendrunde, zu Beginn das Tischgebet vor dem Mittagessen und in Gottesdiensten verschiedener Konfessionen feiern wir Liturgie und bieten somit die Möglichkeit der Danksagung und des Eingebundenseins in die Glaubensgemeinschaft. Jährlich stattfindende Segensfeiern, die von den Mitarbeitern der einzelnen Wohnbereiche vorbereitet und durchgeführt werden, münden in die persönliche Segnung jedes Besuchers der Feier durch Handauflegung.
Ich erinnere mich gern an einen Geburtstagsglückwunsch einer ehemaligen Mitarbeiterin, die schrieb: 
Frau Josefa H. sagte vor jedem Gottesdienst, zu dem wir sie brachten: „Ich bete für Euch, Ihr habt ja keine Zeit.“

„Wir trösten Trauernde…“
mit einer individuell gestalteten Kondolenzkarte, die das Bild der Hände dieses Menschen zeigt, in einer für ihn typischen Haltung, welches wir bei Gelegenheit nach dem Einzug gemacht haben. Es lädt die Angehörigen zur Meditation über das, was etwa die Hände der eigenen Mutter gehalten, berührt, geschaffen, getragen haben.
Im Januar laden wir die Angehörigen der Verstorbenen aus dem Vorjahr zu einem Gedenkgottesdienst ein. Mit einem Geistlichen gestalten wir einen Gottesdienst, in dem mit Hilfe eines Lichtrituals der Verstorbenen gedacht wird. Sie sind vor uns gegangen und wir werden eines Tages alle hinterher gehen, früher oder später. Zu jedem vorgelesenen Namen wird ein Kerzenlicht an der Osterkerze entzündet. Bücher auf einem langen blauen Tuch versinnbildlichen den Lebensfluss. Mit einem Anschlag an die große Klangschale wird Gedenken zum Klingen gebracht. Bei jedem neuen Anschlag klingt der vorige noch. Das stärkt in seiner Wirkung den Eindruck, dass alle Teilnehmer der Feier miteinander verbunden sind. Im anschließenden Gesangsvortrag klingt das tröstliche Lied „Meine Zeit steht in deinen Händen, nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir …“

(Bild vom Lebensbuch und ggfs. Ritual Bücher auf einem Fluss, evt. )

(Bild von Schale mit Kerze)
Pflegedienstleiter Reinhold van Weegen und Ursula Prägert, Mitglied im Heimbeirat von St. Lamberti, schauen auf eine Kerzenschale in der Kapelle. Die Flamme brennt täglich für „segenreiches Tun und Handeln“ in der Einrichtung.

Fazit:

Um Spiritualität im Altenheim leben zu können, muss sie vom Träger gewünscht und gefördert werden. In der Unternehmensverfassung der CBM ist von der „Kultivierung des Christlichen“ die Rede. Sie sei immer dort gegeben, wo die Bedürfnisse des einzelnen Menschen vor die funktionalen Sachzwänge gestellt werden. Dazu bedarf es unter anderem eines Leitbildes, personeller Ressourcen, Möglichkeiten der Reflektion und Stärkung sowie Fort- und Weiterbildungsangeboten zum Thema. Im Team ist es Aufgabe der Leitung, Spiritualität Raum und Zeit zu geben. Das fängt bei den Dienstplänen an, geht über Qualitätszirkel bis hin zum gemeinsamen Konsens, dass Spiritualität unveräußerlich zum Geist und zur Kultur des Hauses gehört. Im Mittelpunkt müssen dabei stets die individuellen spirituellen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner stehen. Dass Pflegebedürftige diese stets ansprechen können, dabei gehört werden, sie gemeinsam mit Mitarbeitenden gelebt werden: dies sollte unsere Haltung gegenüber unseren Bewohnerinnen und Bewohnern ausmachen.

Es braucht in einer Einrichtung immer Mitarbeiter, die für das Ganze „brennen“ und gewillt sind, diesen Spirit zu leben und zu gestalten. Dazu braucht es wieder andere Mitarbeiter, die es mittragen wollen und die es lernen können. Aus allen Bereichen des Hauses können wertvolle Impulse für diese Gestaltung und Lebensweisen beitragen und alle tragen auch Verantwortung für ein Gelingen.
Die Überzeugung des gemeinsamen Konzeptes muss Voraussetzung sein, damit es gelingen kann.
Rahmenbedingungen müssen besonders in der Koordination von Strukturen und Mitarbeitereinbeziehung geschaffen werden. 
Wer sich überfordert fühlt mit der Thematik, soll Verständnis und Unterstützung bei Kollegen und Vorgesetzten finden. Wichtig ist es, im Prozess zu bleiben, Ideen der Beteiligten aufzunehmen und gegebenenfalls umzusetzen.

Literatur

CBM-Unternehmensverfassung (Jahreszahl), unveröffentlicht
Knoll F (2015) Mensch bleiben! Zum Stellenwert der Spiritualität in der Pflege. Stuttgart: Kohlhammer.
Müller M (2011) Dem Sterben Leben geben. Die Begleitung sterbender und trauernder Menschen als spiritueller Weg. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 6. Auflage.
Roser T (2012) Spiritualität und Gesundheit. Überlegungen zur Bedeutung eines unbestimmbaren Begriffs im interdisziplinären Diskurs, In: Kunz R, Kohli Reichenbach C (Hg.), Spiritualität im Diskurs. Spiritualitätsforschung in theologischer Perspektive, Zürich: Theologischer Verlag Zürich. 227-240.
Roser T (2017) Spiritual Care. Der Beitrag von Seelsorge zum Gesundheitswesen. Stuttgart: Kohlhammer. 2. erweiterte und aktualisierte Auflage.

Korrespondenzautor
Reinhold van Weegen
Pflegedienstleiter, Fachkraft Palliative Care, bitte hier noch ergänzen, Münster
E-Mail: reinhold.vanweegen@caritas-ms.de